31 Aug Resilient am Arbeitsplatz – Interview mit Krisenexpertin Anna
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Madeleine: Schön, dass Du da bist, Anna. Steigen wir gleich ein. Was ist Resilienz genau?
Anna: Resilienz ist die Fähigkeit, wie ich persönlich, wir als Team oder auch als Gesellschaft mit widrigen Umständen umgehen. Um das mit einem Schwamm zu beschreiben: Wir werden wie ein Schwamm in Krisen zusammengedrückt. Und dann stellt sich die Frage, wie wir da wieder herauskommen. Finden wir in die alte Form, bleiben wir zerdrückt oder lernen und wachsen wir daraus sogar. Ich beschreibe Resilienz auch gerne als das Immunsystem meiner Seele.
Madeleine: Manche Personen erleben Schreckliches unbeschadet. Andere tun sich mit kleineren Hürden schwer. Man könnte meinen, Resilienz ist angeboren. Wie siehst Du das?
Anna: Man hat lange gedacht, dass Resilienz genetisch veranlagt ist. Die Forschung zeigt aber, dass Resilienz eine Fähigkeit ist, die wir im Laufe des Lebens entwickeln. Aber natürlich beeinflusst uns unser soziales Umfeld, ob ich z.B. in einer eher optimistischen oder pessimistischen Familie aufwachse. Letztendlich ist Resilienz allerdings ein Muskel, den wir trainieren können und eine Krise fordert uns wie ein Gipsbein heraus diesen Muskel wieder zu trainieren.
Madeleine: Wir wollen ja auch eine Brücke zur Arbeitswelt schlagen. Ist Resilienz hier relevant?
Anna: Resilienz führt dazu, dass Menschen sich ihrer eigenen Kräfte und Energien bewusst sind und sich dieser bedienen können. In unserer Arbeitswelt, in der sich so viel verändert, hilft es, dass Menschen stark sind in Veränderungsprozessen, weil sie optimistisch in die Zukunft schauen, zielorientiert sind und die Zukunft planen, weil sie ihr Netzwerk kennen und nutzen.
Madeleine: Man kann sich ja auch auf den Standpunkt stellen, dass wir psychologische Bedürfnisse zu Hause erfüllen sollen. Was erwiderst Du hier?
„Hier arbeite ich, Gefühle habe ich zuhause.“ habe ich da auch schon gehört. Gefühle machen allerdings einen großen Teil unseres Eisbergs unter der Wasseroberfläche aus und steuern, was wir auf der sachlichen Ebene tun und wie wir kommunizieren. Daher stellt sich für jeden Einzelnen die Frage, wie gut wir hier aufgestellt sind, aber auch, wie andere zu ihrer Bestleistung geführt werden können.
Madeleine: Vielleicht sind Führungskräfte oder Kolleg*innen auch überfordert, wenn sie ein Thema von Überlastung bei anderen feststellen?
Anna: Ich würde zwei Dinge tun: Erstens würde ich mich fragen, ob ich hier eine Überlastung sehe oder ob da wirklich eine Überlastung vorliegt.
Das zweite hängt mit der Frage zusammen, wie ich zu der Person stehe. Kann er oder sie hören, was ich sage und dies annehmen. Und dann würde ich mit klaren Ich-Botschaften sprechen. Ich sehe etwas… Ich mache mir Sorgen…
Madeleine: Was sind Anzeichen, an denen ich feststelle, dass ich mit dem Thema Resilienz beschäftigen sollte?
Anna: Das können kleine Signale sein. Ich muss ja auch nicht warten, bis mein Körper mich mit einer Krankheit aus der Situation rauszieht. Es lohnt sich also schon anfangs auf zarte Signale zu hören. Diese sind ganz persönlich, jeder von uns hat seine Schwachstelle. Der Eine hat es im Magen, der Andere Kopfweh oder Verspannungen. Schon hier lohnt es sich zu schauen, ob ich etwas verändern soll. Vielleicht kann ich aber auch nicht gut schlafen oder träume schlecht. Oder ich spüre im Umgang mit anderen Menschen, dass es kriselt. Man sagt ja nicht umsonst: „Stress macht asozial“. Wenn ich mit mir selbst nicht im Reinen bin, kann es sein, dass ich den Kontakt mit anderen in Stresssituationen kappe. Auch hier lohnt es sich aufmerksam zu sein.
Madeleine: Welche Säule der Resilienz findest Du sehr wichtig?
Anna: Eigentlich ist es das Spannungsfeld zwischen zwei Säulen. Auf der einen Seite optimistisch neue Handlungsfelder zu entwickeln und auf der anderen Seite einen Blick auf die eigene Selbstwirksamkeit zu haben und zu akzeptieren, was geht und was nicht geht.
Sieben Säulen der Resilienz
Madeleine: Wie könnte ich für mich in Richtung Resilienz einen ersten Schritt machen?
Anna: Es geht ja nicht um die riesigen Sprünge, sondern auch um kleine Ameisenschritte. Es hilft schon mir klarzumachen, dass ich in einer außergewöhnlichen, herausfordernden Situation bin, die ich mir nicht ausgesucht habe, mit der ich mich jedoch auseinandersetzen muss und durch die ich irgendwie durchkommen muss. „Glücklich ist, wer vergisst, was auch nicht zu ändern ist.“ heißt es ja so schön in der Operette der Fledermaus.
Madeleine: Anna, Du gestaltest ja auch spannende Formate, wie z.B. Deinen „Glückstag to go“, Dein Seminar „Atempause“, „Durchatmen in Krisenzeiten“ (https://www.anna-basse-consulting.de/seminare). Was machst Du denn da mit den Teilnehmern?
Anna: Ganz viel bringen die Teilnehmer mit, daher ist das sehr individuell. Im Grundsatz schauen wir uns an, was die Situation ist, die mich gerade beschäftigt. Dann stellen wir uns die Frage, wie viel ich davon beeinflussen kann, wieviel ich davon zu akzeptieren lerne, um dann für mich Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln, mit der Situation umzugehen. Dafür gibt es Übungen in der Gruppe oder auch für mich allein.
Madeleine: Hast Du eine Übung, die Du uns auf unseren Resilienzweg mitgeben kannst?
Anna: Für mich ist es sehr wichtig, dass die Übungen auch in den Alltag passen und ich sofort merke, dass sich etwas verändert. Und eine Übung namens „Es klingelt“ ist besonders schön: Man macht dabei einen kleinen Vertrag mit sich selbst, stellt sich einen Timer auf z.B. 60 Minuten und nach 60 Minuten, lässt man alles fallen und unterbricht für 5 Minuten. Das führt dazu, dass ich wir aus dem Reflex, das nur noch schnell fertig zu machen oder dem Impuls, „Ich kann erst aufhören, wenn etwas beendet ist, herauszukommen.
Madeleine: Wir arbeiten ja auch beide mit Teams. Stichwort: Teamresilienz. Gibt es so etwas aus Deiner Sicht?
Anna: Ich denke da gilt, das Ganze ist die Summe der Teile. Wenn also ein Teammitglied auf dem Resilienzthermometer im unteren Bereich ist, dann hat das auch einen Einfluss auf die Gruppe. Wenn wir uns eine Sportmannschaft vorstellen, sieht man schön, wie ein Team Resilienz in der Körperhaltung darstellt. Sie legen sich die Arme um die Schultern, bevor es losgeht, und stützen sich mit Trost bei einem verlorenen Spiel. Es geht auch darum, die Bedeutung darin zu sehen, dass ein Team eine Vorstellung davon hat, wo es gemeinsam hinwill.
Madeleine: Bei Resilienz geht es ja natürlich um Positivität. Aber das kann ja auch zu viel werden, wenn ich beispielsweise auf jemandem mit „Ist alles nicht so schlimm. Das wird schon wieder.“ reagiere. Das kann bereits in die Richtung einer „toxischen Positivität“ gehen. Wie kann ich angemessener reagieren?
Anna: Schritt Eins wäre den Vertrauensbeweis des Anderen wahrzunehmen, der sich gerade verletzlich zeigt. Das ist schon einmal wie ein Goldregen. Als zweites wäre es hilfreich nachzufragen. In solchen Situationen zeigt mir jemand ein aufgeschlagenes Knie. Es ist nicht meine Aufgabe einem erwachsenen Menschen ein Pflaster auf die Wunde zu kleben, aber die Wunde darf gesehen werden. Wenn ich also wirkliches Interesse zeige und einfach zuhöre, kann mein Gegenüber vielleicht bereits im Sprechen neue Ideen entwickeln.
Madeleine: Zum Abschluss: Was ist Dein Geheimnis für Resilienz?
Anna: Soll ich das wirklich verraten? Ich habe das Geschenk des halb vollen Glases bekommen, ich bin eine unverbesserliche Optimistin. Das trägt mich durch sehr vieles, weil ich weiß, wenn etwas sehr schwer ist, wird für mich etwas Gutes daraus erwachsen.
Madeleine: Vielen Dank. Ein schöner Abschluss, das merkt man Dir auch so schön an, Anna. Vielen Dank für das Gespräch.
Mehr zu Anna: www.anna-basse-consulting.de Instagram: @abc_annabasse_coaching
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